Wenn nichts mehr ist, wie es war
Wir von DIENSTE IN ISRAEL hatten bereits einen Artikel für dieses Magazin geschrieben. Doch dann kam der 7. Oktober und seitdem ist in Israel nichts mehr, wie es einmal war. In ständiger Sorge um unsere Volontärinnen vor Ort mussten wir schwierige Entscheidungen treffen. Hier eine Dokumentation.
Stand 18.10.2023 Durch den brutalen Angriff der Hamas auf das israelische Volk ist die Welt nun eine andere. Die Situation in Israel verändert sich fortwährend und kann große Folgen für den Nahen Osten und die gesamte Welt haben. Doch in allem Chaos bleibt manches, wie es ist: Als DIENSTE IN ISRAEL stehen wir weiterhin und uneingeschränkt an der Seite Israels. Wir verurteilen den Angriff der Hamas aufs Schärfste und wünschen uns nichts sehnlicher, als dass Frieden in dieser Region einzieht. Von unseren Gründern haben wir gelernt, dass wir uns um die Belange der Menschen in Israel kümmern und sie, so gut es geht, mit diakonischem Einsatz unterstützen.
Viel haben wir in den letzten Tagen in Krisensitzungen diskutiert, die Sicherheitslage täglich neu bewertet und unsere Entscheidung hinterfragt, ob eine allgemeine Ausreise zu fordern oder ein Verbleib in Israel gerechtfertigt ist. Aktuell haben wir noch sechs Freiwillige und eine Mitarbeiterin in Jerusalem. Ihnen geht es gut. Sie fühlen sich sicher, und – man mag es kaum glauben, wenn man die deutschen Medien verfolgt – das konkrete Kriegsgeschehen ist weit weg. Auch wenn Israel ein Land in Trauer ist und hohe Sicherheitsvorkehrungen nötig sind, so ist doch eine Form von Alltag lebbar.
Gleichzeitig erleben wir derzeit große und kleine Wunder. Da sind in einem Flugzeug noch genau drei Plätze frei, die von uns für ausreisende Freiwillige gebucht werden konnten. Wir hören vom befreundeten Kibbutz Mafalsim, welcher den Angriff der Hamas nahezu
unbeschadet abwehren konnte. Unsere Volontärinnen erleben in allem Gottes Frieden und seine Gegenwart. Und vieles mehr.
Montags bieten wir ein Online-Gebetstreffen für alle an, die sich mit uns verbunden fühlen, und spüren, wie Gott seine schützenden Hände ausbreitet. Der Blick in die Zukunft in ungewiss. Keiner kann sagen, wie sich der Krieg und die Sicherheitslage verändern werden. Vielleicht sieht die Welt morgen wieder ganz anders aus. Doch wir werden Israel und unserem Auftrag mit vielen kleinen diakonischen Brücken treu bleiben.
Cornelius Schneider
Leiter Dienste in Israel
Kirchröder Str. 46
30559 Hannover
T: 0511. 95 49 8-60
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dienste-in-israel.de
Wechselbad der Gefühle: Was die Volontärinnen in den letzten Wochen erlebten
Stand 8.10.2023 Seit dem 8. Oktober lebten alle Volontärinnen im Stadtteil Beit Hakerem in Jerusalem, wo sich auch unser Hauptquartier befindet. Da in dieser Woche die Tageszentren, in denen ein Großteil unser Volontärinnen arbeitete, geschlossen blieben, organisierte unsere Mitarbeiterin vor Ort für sie eine Art Ad hoc-Seminar. Im Rahmen dieses Seminars verfassten einige unsere Volontärinnen folgende Texte.
Sofia betreute Menschen mit geistiger Behinderung in Jerusalem.
„Ich persönlich habe die Kriegssituation als ziemlich surreal erlebt, da Jerusalem, als heilige Stätte für sowohl Juden als auch Muslime, kaum beschossen wurde und man somit nur durch die Nachrichten vom Krieg erfuhr. Wir waren natürlich alle extrem schockiert von den Bildern und Ereignissen im Süden Israels, zum Beispiel die grausamen Videos des Supernova-Festivals oder die Angriffe auf Aschkelon. Wir waren und sind zwar im Herzen betroffen und absolut traurig und entsetzt von dem, was wir aus den Nachrichten hörten. Aber eine akute Gefahr für Leib und Leben für uns in Jerusalem bestand nicht. Das hat uns ein wenig erleichtert.“
Dörte war im Einsatz bei Shekel, Jerusalem.
„Ich bin sehr froh, mit DIENSTE IN ISRAEL mein Volontariat zu machen. Die Betreuung ist super und es ist richtig wertvoll, so viel Gemeinschaft zu haben. Meine Zeit in Israel war bisher richtig toll! Ich habe mich gut eingelebt und mich daran gewöhnt, zu arbeiten. Ich habe das Land entdeckt und bin sehr glücklich, dass wir noch einen gemeinsamen Urlaub am See Genezareth machen konnten. Ich habe viele Leute kennengelernt und in dem Land langsam mein eigenes Leben aufgebaut.
Die Zeit in Israel habe ich sehr genossen, und sie ist für mich eine wertvolle Erfahrung. Aufgrund des Krieges habe ich mich entschieden, nach Deutschland zurückzufliegen. Denn, auch wenn ich mich gerade noch recht sicher fühle, ist es doch sehr beunruhigend, nicht zu wissen, wie sich die Situation weiter entwickeln wird. Ich hoffe, dass ich mein Volontariat in Israel schnell wieder fortsetzen kann, aber auch dass meine Zeit zu Hause mich weiter bringen wird. Ich sehe diese Zeit als Herausforderungen und nicht als Rückschritt. Ich bin gespannt, was in diesem Jahr noch auf mich zukommt …“
Kathleen arbeitet in Jerusalem in einem Tageszentrum für Menschen mit geistiger Behinderung
„Die Sonne schimmert durch die Bäume. Ich höre Kinder draußen spielen, Geschirr klappern und manchmal höre ich ein Auto vorbeifahren. Gerade bin ich nicht in meinem eigentlichen Zuhause hier in Jerusalem. Nicht in Baka – einem Wohnviertel im Süden Jerusalems mit vielen Familien, einem Park und einer alten Eisenbahnstrecke, die in Richtung Altstadt führt und auf der viele motivierte Jogger unterwegs sind.
Nein, gerade bin ich in der Hagai. Hier genieße ich den wunderschönen Garten, den Balkon mit all den Pflanzen und den ruhigen Park – 2 Minuten von hier entfernt. Was für ein Glück habe ich – haben wir –, dass wir alle zusammen erstmal hier wohnen dürfen, so viel Sonnenlicht haben und immer füreinander da sein können. Wie lange wir hier sein werden, wissen wir nicht. Wer weiß, wie lange wir noch jederzeit mit Raketenalarmen rechnen müssen.
Aber ich kann nur sagen: Wie viel Glück haben wir, dass wir eine Organisation wie DIENSTE IN ISRAEL und eine Doro haben, die sich um uns kümmern und die alles dafür tun, um uns in dieser Zeit der Ungewissheit, der ständigen Alarmbereitschaft und des Wartens Sicherheit und Wohlbefinden zu schenken. Dafür bin ich unglaublich dankbar und auch für die Gemeinschaft, die wir hier zusammen haben.
Natürlich vermisse ich aber auch unser Zuhause in Baka manchmal. Es gibt zwar viel zu tun bei der Arbeit, denn der Tag im Daycenter ist mit Mal-, Bewegungs-, Musik- und Kochstunden usw. gut gefüllt. Aber trotzdem ist es entspannt, weil die meisten Menschen, die ins Daycenter kommen, sehr langsam sind. Und dann darf ich mit ihnen langsam sein, was ich sehr schätze. Dieses Langsame tut mir sehr gut, habe ich gemerkt. Es entschleunigt mich und bringt mich zur Ruhe.
Ich hoffe und bete, dass diese Menschen bald wieder ins Daycenter kommen können, dass wir dort sicher sind und dass wir diese entspannte Art beibehalten können und nicht zu sehr von der aktuellen Situation gestresst werden.
Helene arbeitet in der Einrichtung Shekel, Jerusalem.
Als wir vor mittlerweile zweieinhalb Monaten in Tel Aviv aus dem Flugzeug gestiegen sind, waren die ersten Eindrücke die große Hitze, die hier im Sommer herrscht, das rege Leben in der Jerusalemer Altstadt und der Geschmack einer echten israelischen Falafel.
Seitdem ist sehr viel passiert. Wir hatten eine sehr intensive und gute Einführungswoche hier in Jerusalem, mit Besuchen in der Altstadt, Seminaren zu verschiedenen Themen und viel Zeit für Gemeinschaft. Direkt danach sind wir in unsere WGs gezogen und haben begonnen zu arbeiten.
Die Herausforderungen, die sich uns vor allem am Anfang gestellt haben, sind natürlich die Sprachbarriere und die Tatsache, dass die meisten von uns keine Arbeitserfahrung hatten, erst recht nicht in der Arbeit mit Menschen mit Einschränkungen bzw. Behinderungen. Aber ich finde meine Arbeit sehr schön, die Atmosphäre dort ist echt entspannt und wertschätzend. Langsam entstehen auch Beziehungen zu den Menschen dort. Was mir sehr geholfen hat, sind die Sprachkurse. Einer davon ist von der Arbeitsstelle organisiert, der andere ist ein Online- Kurs, den wir als Gruppe gemeinsam machen. Dadurch verstehe ich schon deutlich mehr. Die meisten Menschen an meinem Arbeitsplatz sprechen ausschließlich Hebräisch.
Was mir ebenfalls großen Spaß macht, ist das Singen in unserem Hago-Choir, weil man merkt, dass man gemeinsam etwas Schönes und Bedeutendes schafft. Ich finde es auch sehr spannend, die jüdischen Feiertage hier miterleben zu dürfen, von denen wir in den letzten Wochen einige hatten. Zu Sukkot, dem Laubhüttenfest, hatten wir eine Woche Ferien, die wir mit einem Teil der Volontäre am See Genezareth verbracht haben. Es war wunderschön dort und wir hatten eine sehr coole Zeit zusammen.
An dem Tag, bevor die Arbeit wieder losgehen sollte, also ein Samstag, wurde ich morgens von einer Sirene geweckt und musste erst einmal realisieren, dass es sich dabei um einen Raketenalarm handelt. Wir hatten in den nächsten Tagen ein paar davon hier in Jerusalem, haben aber ansonsten nicht viel vom Krieg zu spüren bekommen. Wir mussten die ganze folgende Woche nicht arbeiten und haben die Zeit gemeinsam hier in der Hagay verbracht, was uns allen geholfen hat, mit der schwierigen und unbekannten Situation umzugehen. Dann stand für uns die Entscheidung an, ob wir unter den gegebenen Umständen hier im Land bleiben möchten oder die Zeit, bis es wieder sicherer ist, in Deutschland überbrücken wollen. Ich habe für mich entschieden, hierzubleiben, solange es möglich ist, um auf der Arbeit zu helfen, die diese Woche wieder aufgenommen wird.
Es ist nach wie vor nicht sicher, wie lange das gehen wird. Aber ich stelle fest, dass wir in dieser Zeit besonders lernen dürfen, auf Gott zu vertrauen und darauf, dass er das Beste aus der Situation machen wird – egal, ob das bedeutet, zu bleiben oder für eine gewisse Zeit nach Deutschland zurückzukehren.
Wie geht es weiter?
Stand 01.11.2023 Nach Wochen des Ringens, geprägt von Wechselbädern der Gefühle und großen Veränderungen ist nun etwas Ruhe einkehrt. Alle Volontärinnen und auch ich selbst sind nach Deutschland zurückgekehrt. Dies war ein schmerzhafter Schritt für uns Alle. Da Gott uns das erbetene eindeutige Zeichen zum Bleiben jedoch nicht gegeben hat, hatten wir das Gefühl, dass es nun doch Zeit ist, fürs Erste nach Deutschland zurückzukehren.
Unser Ziel ist es, diese Übergangszeit sinnvoll und gewinnbringend für Alle zu gestalten. Die Volontäre sind auf der Suche nach ehrenamtlichen Tätigkeiten, die sie auf ihre Zeit in Israel vorbereiten. Zusätzlich organisieren wir Bildungs- und Gemeinschaftsangebote per Zoom und darüber hinaus.
Und während wir dafür beten, dass die Reisewarnung für Israel aufgehoben werden kann, wollen wir die Zeit in Deutschland nutzen, um dort, wo wir gerade sind, Zeugen für die Wahrheit zu sein und auch auf diese Weise weiterhin sichtbar und konkret an der Seite Israels zu stehen.
Dorothee Thielmann, hauptamtliche Mitarbeiterin für DIENSTE IN ISRAEL,
ist ansprechbar für Informations- und Vortragsabende unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!