Der Familienalltag ist oft hektisch und voller Anforderungen. Häufig ist es schwierig, die Bedürfnisse aller kleinen und großen Familienmitglieder unter einen Hut zu bekommen.

Die Kinder gehen durch unterschiedliche Entwicklungsphasen und die Eltern sind vielfach gefordert und haben oft unterschiedliche Auffassungen zum Umgang mit Konfliktsituationen. Doch es gibt gute Lösungsansätze, die zu einem entspannteren Familienalltag beitragen.

Familien sind ein großes Glück und enorm wichtig für uns und unsere Gesellschaft. Zugleich erlebe ich als Familienbegleiterin häufig eine große Belastung unter Eltern, die von den vielfachen Anforderungen und Erwartungen herrührt, in deren Spannungsfeld Eltern sich heute bewegen.

In meiner Rolle als Familienbegleiterin, aber auch als Mutter, hat mir der Ansatz der gewaltfreien Kommunikation des amerikanischen Psychologen Dr. Marshall Rosenberg (1934–2015) sehr geholfen. Er stellt die Empathie mit anderen und sich selbst in den Mittelpunkt. Er entwickelte dafür ein auf den ersten Blick sehr einfaches 4-Schritte-Modell – primär für die Kommunikation im Konfliktfall.

Kinder begleitenVier Schritte für die Konfliktkommunikation von Marshall Rosenberg

  1. Beobachte zunächst neutral, was passiert ist. Kommuniziere dies ohne Bewertung oder Vorwürfe, sondern so sachlich wie eine Kamera es filmen würde.
  2. Fühle, was es in dir oder anderen ausgelöst hat und kommuniziere diese Gefühle(dafür braucht es einen Gefühlswortschatz jenseits von „gut“ und „schlecht“).
  3. Frage dich, auf welche unerfüllten Bedürfnisse dich diese Gefühle hinweisen. Dabei gilt es nicht nur auf körperliche Bedürfnisse, sondern vor allem auf psychische Bedürfnisse zu achten. Gerade das Bedürfnis „Autonomie“ (in Form von „selbst entscheiden wollen“) ist bei vielen Kindern zentral und oft unerfüllt.
  4. Überlege, was du selbst oder andere dazu beitragen können, damit das unerfüllte Bedürfnis in Erfüllung gehen kann. Stelle eine möglichst konkrete Bitte an dein Gegenüber oder dich selbst. Wichtig ist hier das Prinzip der Freiwilligkeit:  Der/die andere muss die Bitte nicht erfüllen, sonst wäre es eine Forderung

Nein sagen und Regeln durchsetzen auf empathische Art

Gegenüber Kindern nicht in eine Forderungshaltung zu fallen, fällt uns oft schwer. Denn wir wollen manchmal, dass unsere Kinder „einfach tun, was wir sagen“, da es uns das Leben im stressigen Alltag erleichtert. Übrigens: „Erleichterung im Alltag“ ist unser gutes Bedürfnis hinter der gelegent lichen Ungeduld und Strenge als Eltern. Zugleich sind Kinder zutiefst abhängige Wesen, die die Folgen einer Entscheidung und Handlung aufgrund ihres Entwicklungsstands noch gar nicht absehen können. Das Prinzip der Freiwilligkeit gerät hier also an seine Grenzen.

In solchen Situationen kann es helfen, das unerfüllte Bedürfnis einmal auszusprechen und anzuerkennen. Zum Beispiel: „Ich weiß, dass du gerne selbst entscheiden willst, ob du heute in die Kita gehst oder nicht. Das ist dir ganz wichtig.  Leider geht das nicht, da Mama und Papa heute arbeiten müssen. Aber du darfst gern entscheiden, was du heute in deiner Brotdose mitnehmen möchtest.“ Man kann unerfüllte Bedürfnisse also auch in einem kleineren Rahmen die  Möglichkeit zur Erfüllung geben und sie damit anerkennen.

Da ich häufig erlebe, dass Eltern heute eine gewisse Unsicherheit in Bezug auf Regeln und „Nein-Sagen“ mitbringen, möchte ich gern noch erwähnen, dass Kinder dies sogar brauchen. Denn Regeln und Nein-Sagen erfüllen auch das  Bedürfnis der Kinder nach Orientierung. Zentral ist nur, dass wir sie empathisch kommunizieren: „Ich verstehe, dass du die ganze Tüte Gummibärchen essen willst. Die sind ja auch super lecker. Und die leuchten so schön. Nur leider machen sie deine Zähne kaputt. Deshalb gibt es leider, leider nur zwei Stück davon!“

Dieser empathische Umgang funktioniert übrigens auch sehr gut im Umgang mit uns selbst als Erwachsene und Eltern. Denn die Selbst-Empathie, d.h. der milde, mitfühlende Umgang mit sich selbst, ist eine Voraussetzung dafür, dass wir  auch anderen Menschen mitfühlend und empathisch begegnen können – ebenfalls ein zentraler Bestandteil der gewaltfreien Kommunikation.

Julia Männel
Diplom-Psychologin, Elternbegleiterin, Kommunikationstrainerin, Mediatorin