Jungen Menschen eine gute Zukunft ermöglichen

Jedes Kind, jede/r Jugendliche ist einzigartig, unverwechselbar, besonders. Jedes Kind, jede/r Jugendliche ist von Gott gewollt und hat ein Recht darauf, seine bzw. ihre Gaben zu entdecken, Neues zu lernen und zu erproben, die Persönlichkeit zu entwickeln.

Junge Menschen haben ein Recht auf eine gute Zukunft, mit den Worten des Johannesevangeliums gesprochen: Ihnen ist – wie Menschen aller Generationen – ein Leben in Fülle zugesagt. Alle haben ein Recht auf Teilhabe an der  Gesellschaft und sollen frei ihr eigenes Leben gestalten können. Laut aktuellem Bericht des Statistischen Bundesamts leben 22 Prozent, also mehr als jedes fünfte Kind in Deutschland in Armut. Ein trauriger Rekordwert. Bei alleinerziehenden Müttern und Vätern liegt die Armutsquote sogar bei 43,2 Prozent. Von Armut und sozialer Ausgrenzung bedrohte Kinder und Jugendliche leben in Familien, die sich den durchschnittlichen Lebensstandard nicht leisten  können und oft auf Sozialleistungen zur Existenzsicherung angewiesen sind. Das Ausmaß von Kinder- und Jugendarmut in unserem Land ist ein Skandal.

Leben in Fuelle 02Und auch ohne direkte materielle Armut verfügen viele Heranwachsende nicht über genügend Entwicklungs- und Gestaltungsmöglichkeiten. Die entscheidenden Faktoren für die Bildungschancen junger Menschen in Deutschland sind nach  wie vor die Bildung und das Einkommen der Eltern. Fehlende Bildung programmiert zukünftige Armutskarrieren. Die Potenziale junger Menschen liegen brach. Dies ist nicht die Fülle des Lebens, sondern der Mangel an gerechter Teilhabe,  die in unserer Gesellschaft möglich wäre.

Kann eine Kindergrundsicherung weiterhelfen?

Um die Startchancen von Kindern anzugleichen, brauchen wir ein Gesamtkonzept zur Reduktion von Kinderarmut und zur Förderung von Teilhabe. Ein zentraler Baustein wäre eine Kindergrundsicherung, die diesen Namen verdient. Die  Diakonie Deutschland fordert eine einheitliche finanzielle Grundförderung, die das Existenzminimum aller Kinder abdeckt. Das Nebeneinander aus Kindergeld, Kinderfreibetrag, Kinderzuschlag, Kinderregelsätzen und Pauschalen des  Bildungs- und Teilhabepakets ist zu kompliziert und ungerecht. Für in Armut lebende Kinder und Familien müssen darüber hinaus zusätzliche Leistungen gewährt werden.

Zudem benötigen wir auf kommunaler Ebene eine bessere Infrastruktur für Kinder, Jugendliche und ihre Familien. Dazu zählen die Ganztagsbetreuung, kostengünstige Freizeitangebote und ein für einkommensarme Familien kostenfreies  Schulmittagessen. Im politischen Streit um die Kosten einer Kindergrundsicherung drohen die langfristigen gesellschaftlichen und finanziellen Folgekosten von Kinderarmut aus dem Blick zu geraten. Und die Familien, die dringend staatliche Unterstützung brauchen, haben das Nachsehen.

Mitbestimmung und Beteiligung für Kinder und Jugendliche

Wichtig für ein selbstbestimmtes Leben und eine vollumfängliche gesellschaftliche Teilhabe ist aber nicht nur die materielle Absicherung, sondern sind ebenso altersgerechte Mitbestimmungs- und Beteiligungsmöglichkeiten. Um dem Leben der jungen Generation eine gute Zukunft zu geben, braucht es ihre aktive Partizipation an Diskussions- und Entscheidungsprozessen, die ihre eigene Lebenssituation, die Familie, Kita, Schule, Jugendarbeit oder die Angebote der Kinder- und Jugendhilfe betreffen. Kinder und Jugendliche sind Expertinnen und Experten in eigener Sache. Wie eine gute Zukunft für sie aussieht und was sie unter einem Leben in Fülle verstehen, wissen sie selbst am besten.

Kinder und Jugendliche sind von ihrer demografischen Stärke und ihren politischen Einflussmöglichkeiten her jedoch die schwächste Gruppe in unserer Gesellschaft. Studien zeigen, dass sich junge Menschen von der Politik häufig nicht angesprochen und nicht mitgenommen fühlen. Und gerade die jungen Menschen, die wir in der Diakonie begleiten und unterstützen, haben es oft besonders schwer, ihre Wünsche und Interessen einzubringen: minderjährige Geflüchtete, Kinder und Jugendliche mit Behinderungen, junge Menschen, denen die eigene Familie keinen Schutz und keine Förderung ermöglicht.

Demokratie und Partizipation wollen gelernt sein. In der Diakonie wollen wir dazu beitragen, dass junge Menschen Vertrauen in die Fähigkeit demokratischer Politik gewinnen, ihre Sorgen ernst zu nehmen, sie aktiv zu beteiligen und  Probleme zu lösen. Einfache populistische Antworten auf komplexe Herausforderungen und rechtsextreme Positionen gefährden unsere Demokratie. Dieser Entwicklung treten wir entschieden entgegen. „Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben“, heißt es in Johannes 10,10. Gemeinsam arbeiten wir in der Diakonie daran, dass diese Zusage, dass die Fülle des Lebens für die junge Generation erfahrbare Wirklichkeit wird.

Rüdiger Schuch
Präsident Diakonie Deutschland
Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e. V.