Dass Motivation mindestens hilfreich ist, wenn es um diakonisches Handeln geht, steht vollkommen außer Frage. Und doch: Muss Diakonie immer motiviert sein, damit die Hilfe ankommt? Und wie gestaltet sich das Verhältnis zwischen Diakonie und Motivation überhaupt? Vor allem aber: Hat Diakonie eine Aufgabe, die über das praktische Tun an den Hilfebedürftigen hinausgeht?

Diakonische Werke und Projekte spielen eine bedeutende Rolle für und in unserer Gesellschaft. Das helfende Handeln der Kirchen ist im Laufe der letzten Jahre und Jahrzehnte zu einer wichtigen Säule im Sozialstaat Deutschland geworden und übernimmt nach und nach immer mehr Aufgaben, die eher in der staatlichen Verantwortung zu verorten sind.

Die Diakonie war schon immer ein wichtiges Merkmal von Kirche. Bereits die ersten Gemeinden taten sich durch ihre Hilfsbereitschaft und ihr Engagement hervor und fi elen in ihrem Umfeld dadurch auf, dass sie sich zunächst umeinander und dann auch um ihre Mitmenschen kümmerten. Die Tradition der praktischen Fürsorge leben Werke und Gemeinden bis in die heutige Zeit hinein. Und die Diakonie gilt vor dem Gebot der Nächstenliebe als Wesensäußerung der Kirche. Das könnte nun schon Grund genug dafür sein, sich diakonisch zu engagieren; und wenn wir ganz ehrlich sind, ist es das an der einen oder anderen Stelle vielleicht auch: Diakonie und diakonisches Tun als eine Art Pfl ichtübung, die eben einfach zum Christentum dazugehört. Und solange Menschen, die Hilfe brauchen, diese bekommen, können wir von einer Win-Win-Situation sprechen.

Motiviert ist man – oder man ist es eben nicht. Eine Zwischenebene gibt es da nicht. Natürlich kann man sich wünschen, motiviert genug zu sein, um gewisse Schritte im Leben zu gehen und bestimmte Erfahrungen zu machen; man kann sich auch ausmalen, motiviert genug zu sein, um bestimmte Ziele zu erreichen oder sich langgehegte Träume zu erfüllen.

Aber es braucht mehr als den Wunsch nach Motivation, sei sie nun innerlich oder äußerlich, damit wir wirklich diese gewissen Schritte gehen und die bestimmten Erfahrungen machen. Ohne Motivation bleibt jedes Ziel unerreicht und jeder Traum bloße Träumerei. Motivation gibt Energie und braucht Energie. Sie bewegt uns zum Handeln. Und Handeln ist mehr als bloße Pfl ichterfüllung. Zum Handeln gehören immer Absicht und Verantwortung. Für das diakonische Handeln stellt sich somit die Frage, ob es, statt um motivierte Diakonie, nicht vielmehr um eine diakonische Motivation gehen muss. Also um eine grundsätzliche Motivation allen individuellen und institutionellen Handelns, welche sich aus einer diakonischen
Grundhaltung speist, und welche mehr in den Blick und ins Tätigkeitsfeld nehmen kann, als das helfende Handeln an einem direkten Gegenüber in einer konkreten Situation. Wenn unsere Motivation grundsätzlich diakonisch ist, dann ist auch unser Blick auf diese Welt ein diakonischer.

Ist es Diakonie, wenn wir Menschen helfen und unterstützen, die vor dem Krieg und seinen Verbrechern aus der Ukraine gefl üchtet sind? Ist es Diakonie, wenn wir die Opfer häuslicher Gewalt medizinisch versorgen? Ist es Diakonie, wenn wir Kinder, die unterhalb der Armutsgrenze leben, mit Grundnahrungsmitteln verpfl egen? Ohne Frage, das alles ist natürlich diakonisches Handeln und an dieser Stelle wären noch viele andere Beispiele zu nennen, wie sich Diakoniewerke und Gemeinden unseres Bundes und darüber hinaus für die Nöte von Menschen einsetzen und sie in schweren Phasen ihres Lebens begleiten. Aber wir unterschätzen die Kraft der Diakonie, wenn wir es dabei belassen.

Denn es ist Diakonie, wenn wir uns dafür einsetzen, die Ursachen der Symptome, die wir praktisch und situationsbedingt behandeln, zu beseitigen. Diakonisches Handeln bedeutet das Streben nach Gerechtigkeit und sicherem Lebensraum
für diejenigen, die dies nicht selbst für sich einfordern können. Diakonisches Handeln bedeutet, denen eine Stimme zu
geben, die keine haben. Diakonisches Handeln bedeutet, sich denen an die Seite zu stellen, die Ausgrenzung und Gewalt erfahren. Nicht weil es politisch korrekt ist, oder weil wir alle nächstenliebende Gutmenschen wären, sondern weil dies das Evangelium ist. Oder um es mit den Worten des Franziskus von Assisi zu sagen: „Verkündige das Evangelium. Wenn nötig, benutze Worte dazu.“

Agathe DziukAgathe Dziuk
Ordinierte Diakonin im Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden und Referentin für Diakonie und Gesellschaft
(Akademie Elstal) Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

 

 

 

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