Jürgen Scheidt beendet seinen Dienst bei L!FE Concepts und seine Arbeit im Vorstand des Diakoniewerks.

Mit dieser Ausgabe von „siehe oben“ möchte ich mich von allen Wegbegleiter*innen, Kolleg*innen und dem Freundeskreis des Diakoniewerks verabschieden. Nach über 30 Jahren der verantwortlichen Mitarbeit werde ich nun zum 1.12.2021 meinen Ruhestand antreten. Hinter mir liegen intensivste Jahre, die mich auch aus der Retrospektive immer noch begeistern. In dieser Zeit ist unglaublich viel passiert: Etliche Projekte sind im Diakoniewerk und bei L!FE CONCEPTS entstanden, es gab unzählige Begegnungen mit Menschen, viele Wechsel von Akteuren, echte Höhen und Tiefen, manche schlaflose Nacht, Ideen wie Sand am Meer.

Das Beständige waren tatsächlich die Veränderungen. Mir hat es sehr gefallen, aktiv am Geschick unseres Werks mitgestalten zu dürfen. Es war mir eine große Freude, kreativ das oftmals unmöglich Erscheinende zu denken und zeitweilig auch die reale Umsetzung zu erleben. In allem ging es stets darum, nicht „irgendein Unternehmen zu führen“, sondern mit einer diakonischen Herzenshaltung Sorge dafür zu tragen, dass Menschen, die unsere
Unterstützung brauchen, genau das bekommen, was sie benötigen.

Der „Unternehmenszweck“ bestand nie darin, das ökonomisch Maximale zu erreichen, sondern ein Gleichgewicht herzustellen zwischen dem ökonomisch Notwendigen und dem eigentlichen Ziel unserer Aufgabe: Authentisch und tatkräftig zu verkörpern, wie sich Gottes Liebe in erfahrbare Hilfestellung für Menschen umwandelt!

Im Laufe der Jahre habe ich verstanden, dass leitende Verantwortung nur dann gelingen kann, wenn sich viele beteiligen. In einer sich immer schnell verändernden Welt hat sich ein „Top Down-Führungsmodell“ schon lange erledigt. Eine Leitung ist nichts ohne das Kollegium. Ich bin ausgesprochen dankbar für wundervolle Mitarbeiter*innen, die mit ihrer Fachkompetenz, ihrer Motivation, ihrem Ideenreichtum, mit ihrer Wertschätzung, Ermutigung, Kraft und ihrem Durchhaltevermögen ergänzt haben, was eine Leitungsfigur allein niemals bewältigen könnte.

Ich liebe das Bild der „Schwarmintelligenz“ auf kognitiver, sozialer und emotionaler Ebene, die Unmögliches möglich macht. Im Miteinander sind wir stark und schaffen das, was ein Einzelner allein niemals erreichen würde. Aber auch diejenigen, denen im Kontext der Diakonie unsere Hilfe gilt, sind ja nicht ausschließlich Hilfeempfänger. Im Gegenteil: Sie sind Experten für ihr eigenes Leben. Und ich bin noch immer fasziniert davon, wie resilient sich Menschen trotz schwierigster Situationen verhalten können und angebotene Hilfe kundig nutzen, um Probleme neu zu konnotieren und zu lösen.Ich bin dankbar für das,was man mir zugetraut hat, für alle Freiheiten, die autonomes Gestalten ermöglichten; dankbar dafür, dass ich mich trotz größter Herausforderungen nicht verbiegen musste und ich selbst bleiben durfte; dankbar für kritische Äußerungen, die mich vorangebracht haben; und last but noch least dankbar für meine eigene wunderbare Familie, deren Liebe mich stark macht.

Ob ich in allen Bemühungen tatsächlich Spuren hinterlassen habe, weiß ich gar nicht so genau; die Beurteilung überlasse ich getrost anderen. Ich weiß, dass ich bei allem Gelingen und Misslingen die Welt ein wenig besser machen wollte, befürchte aber ganz nüchtern, dass ich es nicht annähernd geschafft habe. Dennoch hat mich dieses Motiv bis zum letzten Tag in Beruf und Berufung angetrieben. Dem Diakoniewerk Kirchröder Turm und allen Menschen in seinem Kontext wünsche ich von Herzen die Erfahrung, dass trotz Fragilität und „kleiner Kraft“ letztlich ein Größerer jeden und alles Denken, Planen, Fühlen, Handeln und Wollen in seinen Händen hält. Darin liegt die liebende Garantie für unsere Existenz.

Herzlich,
euer Jürgen Scheidt