Spiritualität von unten
BeGeistert Spuren hinterlassen
Spuren hinterlassen – wer möchte das nicht? Klar möchte ich Menschen in guter Weise begleiten. In der Hoffnung, dass diese Menschen mit neuem Mut und von Gottes Geist beseelt ins Leben gehen. Das ist die grundlegende Motivation aller diakonischen Arbeit.
Als ich vor einigen Wochen zu einem 60. Geburtstag eingeladen war, traf ich viele Gäste, die ich seit Jahren nicht gesehen hatte. Es war schön, zu hören, woran sich so mancher noch erinnert. Situationen, die ich nicht präsent hatte, die aber für die betreffenden Personen wertvoll und wegweisend waren. Vermutlich habe ich mehr Spuren hinterlassen, als mir bewusst ist.
Im Grunde hinterlassen wir täglich Spuren – bewusst oder unbewusst. Und dabei ist es egal, ob wir nun begeistert unterwegs sind oder nicht. Wir müssen uns nicht einmal besonders anstrengen nach dem Motto: Nur, wenn ich begeistert bin, kann ich andere begeistern.
Obwohl: Da ist sicherlich etwas Wahres dran. Aber Gottes Geist kann auch dann in guter Weise Spuren hinterlassen, wenn gefühlt keine Spur von Begeisterung zu erkennen ist. Ich weiß von mir selbst, dass ich in solchen Situationen unzufrieden bin und zwangsläufig denke, ich müsste mehr tun und machen, damit ich wieder inspirierter und auch inspirierender unterwegs bin. Doch in einer Zeit, als bei mir nicht mehr viel ging, begegnete mir ein ganz anderer Ansatz. Ich hörte erstmals von einer Spiritualität von unten.
Der Apostel Paulus bezeugt: „Gott erweist sich in den Schwachen als mächtig“ (2. Kor. 12,9). An einem gewissen Punkt in seinem Leben musste Paulus kapitulieren. Seine Erkenntnis lautete: Mir bleibt nichts anderes übrig, als mir an Gottes Gnade genügen zu lassen. Die Spiritualität von unten beginnt ganz unten. Sicherlich habe ich mich auf so manchem Kongress von großen Rednern im Rampenlicht beeindrucken lassen. Doch nachhaltiger haben mich die Menschen reifen lassen, die für mich da waren, als ich jemanden zum Reden brauchte.
Zu denen, die in meinem Leben Spuren hinterlassen, gehören ganz unterschiedliche Menschen. Eines haben sie alle gemeinsam: Ich erlebe sie absolut authentisch und empfinde, dass ich in ihrer Gegenwart so sein darf, wie ich bin. Ich darf sagen, was ich denke, ohne Angst zu haben, dass ich mich dafür rechtfertigen muss. Ich kann eingestehen, dass ich mich schwach fühle, wohlwissend, dass ich mir nicht irgendwelche Vorwürfe anhören muss. Dann muss ich niemand etwas beweisen – auch mir selbst nicht.
Ich selbst möchte jemand sein, der nicht von oben herab auf andere schaut. Ich möchte Spuren hinterlassen, indem ich geistesgegenwärtig für Menschen da bin, die Gott und die Welt nicht verstehen. Darum bitte ich jeden Morgen den Heiligen Geist: „Leite mich und bereite mich auf jegliche Gelegenheit, deine mächtige Kraft zu erfahren. Lass mich ein Kanal deiner Liebe und Heilung, deiner Kraft und deines Segens sein.“ Dieses Gebet der Jesusbruderschaft Gnadenthal hat sich tief in meine Seele eingeprägt. Mich begeistert die Vorstellung, dass da ein Gott ist, dessen Kraft in mir wirksam ist. Ein Gott, der in Jesus Christus hinabgestiegen ist, in unsere Wirklichkeit mit all den Herausforderungen unserer Zeit.
Im Gegensatz zu einer Spiritualität von unten setzt eine Spiritualität von oben bei unseren Idealen an, denen wir nacheifern. Diese Art der Spiritualität wird in vielen Gemeinden kultiviert. Auch ich bin so geprägt. Dann beten und arbeiten wir dafür, unsere biblischen und ethischmoralischen Idealvorstellungen von einem Leben als Christ zu verwirklichen – und sind frustriert, weil die oft hohen Ideale nicht mit der Wirklichkeit zusammenpassen. Die Grundfrage dieser Spiritualität von oben lautet: Wie hat ein Christ idealerweise zu sein? Was muss passieren, damit wir Gottes Gegenwart noch intensiver erfahren?
Aber könnte es sein, dass der Heilige Geist am Werk ist, wenn wir an Grenzen des Verstehens und des Glaubens stoßen? Der Theologe Karl Rahner fragt herausfordernd: „Haben wir schon einmal versucht, Gott zu lieben, dort wo einen keine Welle gefühlvoller Begeisterung mehr trägt?“ Ich habe es versucht, und ich werde es weiter versuchen. Wenn es gelingt, mir an seiner Gnade genügen zu lassen, wird das Spuren hinterlassen. Spuren, die tiefer gehen und direkt in die Gegenwart Gottes führen. Spuren, die spürbar etwas verändern – nicht zuletzt im Leben von Menschen, die mit dem Wort Gnade nicht viel anfangen können. Und alles beginnt damit, dass wir uns an seiner Gnade genügen lassen. Das ist nicht einfach. Aber es hinterlässt Spuren.
Roland Bunde,
Pastor der Evangelisch-Freikirchlichen Hoffnungsgemeinde
Barsinghausen